Donnerstag, 10. Juli 2008

arbeitslos und Spass dabei

So wirklich offiziell arbeitslos bin ich ja noch nicht: Noch drei Monate Auffanggesellschaft. Heisst auch Beschäftigungsgesellschaft: Eine Gesellschaft, in der man zwar keine Beschäftigung mehr hat, aber für einen befristeten Zeitraum sein Gehalt weitergezahlt bekommt (wobei 60% als Kurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur gezahlt werden, die restlichen 40% bezuschusst der Arbeitgeber). Anfangs war ich schockiert: Ich habe keinen Job mehr!, aber der Schockzustand währte nur kurz; mit einem Auge schielte ich schon auf die Verlockung einer nichtstuerischen Zeit... für's Nichtstun gutes Geld zu kriegen, perfekt! Und den Gedanken an das WieNunWeiter verschiebe ich auf später. Ich habe den Eindruck, eine Pause gebrauchen zu können. Zehn Jahre Systemadministration, zehn Jahre Schichtdienst, Bereitschaftsdienst, Wochenend- und Feiertagsarbeit; zehn Jahre Termindruck, nervige Kunden, ständige Überstunden- ich bin körperlich nicht mehr besonders fit, schnell erschöpft, keine Kondition; wirklich, die sechs Monate Auffanggesellschaft haben mir gewinkt wie ein kleiner Lottogewinn. Natürlich: Diese Monate einer geldversüssten Arbeitslosigkeit sollen eigentlich dazu dienen, möglichst schnell aus diesem noch bestehenden Arbeitsverhältnis heraus einen neuen Job zu finden... aber ich habe bislang noch gar keine Lust gehabt, überhaupt etwas zu suchen.
Die erste Hälfte der Auffanggesellschaft verlief noch ziemlich betriebsam; es gab einige Workshops: Wie schreibt man eine gute Bewerbung?, Wie verkauft man sich im Vorstellungsgespräch?, Selbstmanagement, undsoweiter; die liefen relativ spurlos an mir vorbei. Dann habe ich meine neue Wohnung in Hamm renoviert: Meine Schwester Sandra und ihr Mann Oliver haben im Westen der Stadt ein Zweifamilienhaus, schöner grosser Garten, wohnen dort mit ihrer Tochter, meiner achtjährigen Nichte Sarah; die Dachgeschosswohnung stand schon länger leer, und als ich den Job los war, war auch mein erster Gedanke, wieder komplett nach Hamm zu ziehen. Nicht, weil hier jobmässig viel los ist für mich, im Gegenteil; aber irgendwie hänge ich an meiner Heimatstadt, kann gar nicht sagen, warum. Meine Schwester hat mir sofort diese Wohnung angeboten, und der Gedanke, mit ihr in einem Haus zu leben, gefiel mir: Wir verstehen uns gut, auch ohne grosse Worte. Habe dann mit ihr und Oliver zusammen die Wohnung renoviert, ganz in Ruhe, so nach und nach. Mein Appartement in Ostwestfalen habe ich einem Haushaltsauflöser überlassen, alles weg, bis auf Bücher und einigen Dekokram und persönliches Zeugs. Hier in Hamm also alles neu; zwei Dachbalkone hat die gemütliche Wohnung, einer geht nach hinten heraus, zum Garten, einer nach vorne, zur Strasse: Da sitze ich nun mit einer Tasse dampfenden Kaffees und beobachte müssig den Himmel und die Nachbarschaft. Es ist still im Haus: Ferien in NRW, und die Drei, wie ich sie nenne, sind für ein paar Tage an die Nordsee gefahren, am Sonntag kommen sie zurück. Ich freue mich auf Sarah.

im Hintergrund, da lauern sie

Vier Tage liegen hinter mir, Sonntag Montag Dienstag Mittwoch, vier Tage, und vier Dinge, die ich getan habe: Auf der Couch gelegen, gekifft, gefressen und durch die Kanäle gezappt. Tanni hatte mir am Samstag etwas Dope mit nach Hause gegeben, ich selbst hatte zur Zeit keinen Händler hier in Hamm, Tanni würde mir demnächst jemanden vorstellen, “den Grafen”, wie sie ihn nannte.
Das Gras war wirklich gut; ich hatte lange nicht gekifft, Sebastian hatte etwas dagegen, “du hast dann immer so ein blödes Grinsen im Gesicht”, hatte er mir mal gesagt. Er hatte grundsätzlich etwas gegen Drogen, gegen Drogenkonsum, obwohl er selbst der Volksdroge Nr. 1, dem Alkohol, nicht abgeneigt ist: Seine Wochenend-Bierchen müssen schon sein. Also gut, aus Rücksicht auf Sebasian, um ihm zu gefallen, habe ich das Kiffen in seiner Gegenwart irgendwann eingestellt, auch sonst, wochentags allein in Ostwestfalen, habe ich nur noch wenig gekifft. Ab und zu mal ein Gläschen Rotwein, abends. Ich rauche eh nur dann und wann, zur Entspannung. Die letzten Tage habe ich genossen, mit kleinen Ausnahmemomenten. Faul auf der Couch gelegen, vormittags der erste Joint, Fernbedienung in der Hand, ich amüsierte mich mit Soaps und Talkshows und Promiklatsch, die ernsthaften Nachrichten hab' ich weggezappt, die böse Welt soll draussen bleiben, wenigstens eine kurze Zeit lang, Pause. Zwischendurch allerdings, wenn ich zwischen Tiefkühlpizza und Schokoriegeln ein wenig schlummerte, tauchte immer Sebastians Gesicht vor mir auf, riss mich aus dem Schlaf, und mein Hirn wollte sofort anfangen, loszudenken, nachzudenken über alles das, was werden wird und was ich tun soll, aber ich wollte nicht denken, keinesfalls denken, und irgendwie hab' ich's auch hinbekommen, die Gedanken in den Hintergrund zu schicken (da lauern sie, da lauern sie).

Herzkatheter

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