Samstag, 12. Juli 2008

kleine Scheisser

Gestern abend noch in der Stadtmitte gewesen, im Louis, dort gab es eine Blues-Session. Anke getroffen: Gute alte Bekannte, schon viele Nächte durchgezecht, durchgelacht. “Auch mal wieder unterwegs? Und ohne Sebastian?”, fragte sie; ich erzählte ihr kurz, dass ich wieder in Hamm lebe und zur Zeit eine Beziehungspause habe. Anke und Martin, ihr Mann, sind die einzigen meiner Freunde und Bekannten, mit denen Sebastian halbwegs klarkam; hin und wieder haben wir vier uns auf einen Abend getroffen, aber selten. Mit Sebastian habe ich die Wochenenden meist eher ruhig verbracht, oft zu Hause, und manchmal hatte ich mich dabei gelangweilt, so sehr ich Sebastian auch mag. In der letzten Zeit war er öfter mit mir bei seinem Kumpel Olli und dessen Frau gewesen, die beiden sind vor einigen Monaten Eltern geworden. “Ist doch wunderbar, so ein Baby zu haben, steht dir gut”, sagte Sebastian mir einmal, als ich das Bündel auf dem Arm hatte. Niedlich war es ja, das kleine Wesen, so zum Herzen und Knuddeln, aber viel mehr kann man mit so einem Winzteil ja nicht anfangen, und es ist nicht nur süss, es schreit und sabbert und scheisst ja auch. Keine so schöne Vorstellung. Mir gefallen Kinder, wenn sie etwas älter sind, wenn sie anfangen, ihren eigenen kleinen Kopf zu entwickeln, wenn sie mit ihren Mündern kundtun, wie sie die Welt seh'n; das kann witzig und interessant sein. -

Der Abend im Louis war angenehm; es war rammelvoll in der relativ kleinen Kneipe, verschiedene Musiker aus dem lokalen Raum spielten in wechselnden Formationen ziemlich guten Blues, ich tanzte ein wenig, jedenfalls so gut das ging, in der Enge. “Ich wüsste, wie ich mich an deiner Stelle entscheide”, sagte Anke, “ich würde mich sofort schwängern lassen, du weisst ja”. Ja, ich weiss; Anne hat alles versucht, sie kann keine Kinder bekommen, und künstliche Befruchtung kommt für sie nicht in Frage. “Ich hätte gern ein Kind, meine Genetik, und ich stelle es mir schön vor, einen Menschen formen zu können, ihm meine Werte und Gedanken mit auf den Weg zu geben”, hatte sie mal gesagt.

Verschieberin

Habe mir in der Vergangenheit schon öfter die Frage gestellt: Will ich Kinder? Will ich keine?, und meine Antwort war immer eine entscheidungsverschieberische: In fünf Jahren sehe ich weiter, dann ist noch Zeit genug. Und jetzt? In fünf Jahren bin ich fünfundvierzig. Reicht das auch noch? Es gibt immer mehr Spätgebärende. Vielleicht werde ich ja auch so eine.

Freitag, 11. Juli 2008

Denkvermögen: Rudimentär vorhanden

Arbeitsagentur, heute vormittag, hatte einen Termin. Wenn Arbeitslosigkeit droht, muss man sich vorher innerhalb einer bestimmten Frist arbeitssuchend melden, sonst gibt's eine Sperre, vorübergehend keine Kohle. Einige Papiere hatte ich vor ein paar Tagen einreichen müssen, Lebenslauf und ein Profilbogen: Damit sich der Arbeitsvermittler auf den Termin vorbereiten kann. Mein Arbeitsvermittler ist eine Frau und relativ gemütlich. Sie liess mich heute morgen erst eine viertel Stunde vor ihrem Büro warten, und als ich dann drin sass, las sie erstmal die Unterlagen, die ich schon längst zugeschickt hatte. Schweigend schaute ich ihr dabei zu. “Hm, und wie würden sie also ihren Beruf bezeichnen?”, wollte sie dann wissen. “Na ja, so wie's in den Unterlagen steht, SAP-Systemadministrator”, sagte ich. Sie wollte meine Daten in den Rechner eingeben, für das Bewerberprofil, für jeden interessierten Stellenanbieter einsehbar, aber diese Berufsbezeichnung war in ihrer Auswahlliste nicht vorgegeben, freie Eingabe nicht möglich, also einigten wir uns auf die im Programm vorhandene Bezeichung IT-Systemadministrator. Dann musste ich Angaben zu meinen beruflichen Kenntnissen machen, Betriebssysteme, Datenbanken, Programmiersprachen, undsoweiter. Schliesslich noch die notenmässige Einordnung persönlicher Eigenschaften; die Skala bei der Agentur reicht von 'vorhanden' bis 'hervorragend', “wobei hier bei uns das 'hervorragend' eigentlich 'sehr gut' meint, und 'sehr gut' meint 'gut', und 'gut' meint 'befriedigend', und 'vorhanden', na ja”, erklärte mir meine Vermittlerin. Sie ging mit mir die Liste von Eigenschaften durch, und jedesmal musste ich mich selbst benoten, Anpassungsfähigkeit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit, ich sagte abwechselnd 'gut' und 'sehr gut', nur bei der Denkfähigkeit grinste ich: “Rudimentär vorhanden”. “Also, bei den Eigenschaften müssen sie schon überall 'hervorragend' angeben, das wird so erwartet, sonst hat es keinen Sinn”, meinte die Frau mit Achselzucken. Ich blieb aber bei meiner Einordnung, Erwartung hin, Erwartung her, und soll ich lügen, um mich besser zu verkaufen? Sie sagte nichts dazu, gab mir dann abschliessend eine Eingliederungsvereinbarung mit auf den Weg: Meine Pflicht ist nun die aktive Suche nach einem neuen Job; in vier Wochen habe ich einen erneuten Termin bei der Vermittlerin und soll dann berichten.
Bin dann mal zu Hause im Netz durch die Jobbörsen gesurft: Nichts Passendes dabei für mich, hier im Umkreis. Stört mich nicht weiter, momentan: Eh keine grosse Lust auf Arbeit.

Auf dem Weg von der Arbeitsagentur nach Hause bin ich noch ein wenig durch die Geschäfte gebummelt; bei C&A dann in der Kinderabteilung gelandet. Babysachen, ach, diese kleinen Höschen und Hemdchen und Schühchen, durchaus niedlich, aber nicht niedlich genug: Ein Kind kriegen, nur um süsse Sachen kaufen zu können?, und ich wechselte schnell in die Schuhabteilung.

Donnerstag, 10. Juli 2008

arbeitslos und Spass dabei

So wirklich offiziell arbeitslos bin ich ja noch nicht: Noch drei Monate Auffanggesellschaft. Heisst auch Beschäftigungsgesellschaft: Eine Gesellschaft, in der man zwar keine Beschäftigung mehr hat, aber für einen befristeten Zeitraum sein Gehalt weitergezahlt bekommt (wobei 60% als Kurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur gezahlt werden, die restlichen 40% bezuschusst der Arbeitgeber). Anfangs war ich schockiert: Ich habe keinen Job mehr!, aber der Schockzustand währte nur kurz; mit einem Auge schielte ich schon auf die Verlockung einer nichtstuerischen Zeit... für's Nichtstun gutes Geld zu kriegen, perfekt! Und den Gedanken an das WieNunWeiter verschiebe ich auf später. Ich habe den Eindruck, eine Pause gebrauchen zu können. Zehn Jahre Systemadministration, zehn Jahre Schichtdienst, Bereitschaftsdienst, Wochenend- und Feiertagsarbeit; zehn Jahre Termindruck, nervige Kunden, ständige Überstunden- ich bin körperlich nicht mehr besonders fit, schnell erschöpft, keine Kondition; wirklich, die sechs Monate Auffanggesellschaft haben mir gewinkt wie ein kleiner Lottogewinn. Natürlich: Diese Monate einer geldversüssten Arbeitslosigkeit sollen eigentlich dazu dienen, möglichst schnell aus diesem noch bestehenden Arbeitsverhältnis heraus einen neuen Job zu finden... aber ich habe bislang noch gar keine Lust gehabt, überhaupt etwas zu suchen.
Die erste Hälfte der Auffanggesellschaft verlief noch ziemlich betriebsam; es gab einige Workshops: Wie schreibt man eine gute Bewerbung?, Wie verkauft man sich im Vorstellungsgespräch?, Selbstmanagement, undsoweiter; die liefen relativ spurlos an mir vorbei. Dann habe ich meine neue Wohnung in Hamm renoviert: Meine Schwester Sandra und ihr Mann Oliver haben im Westen der Stadt ein Zweifamilienhaus, schöner grosser Garten, wohnen dort mit ihrer Tochter, meiner achtjährigen Nichte Sarah; die Dachgeschosswohnung stand schon länger leer, und als ich den Job los war, war auch mein erster Gedanke, wieder komplett nach Hamm zu ziehen. Nicht, weil hier jobmässig viel los ist für mich, im Gegenteil; aber irgendwie hänge ich an meiner Heimatstadt, kann gar nicht sagen, warum. Meine Schwester hat mir sofort diese Wohnung angeboten, und der Gedanke, mit ihr in einem Haus zu leben, gefiel mir: Wir verstehen uns gut, auch ohne grosse Worte. Habe dann mit ihr und Oliver zusammen die Wohnung renoviert, ganz in Ruhe, so nach und nach. Mein Appartement in Ostwestfalen habe ich einem Haushaltsauflöser überlassen, alles weg, bis auf Bücher und einigen Dekokram und persönliches Zeugs. Hier in Hamm also alles neu; zwei Dachbalkone hat die gemütliche Wohnung, einer geht nach hinten heraus, zum Garten, einer nach vorne, zur Strasse: Da sitze ich nun mit einer Tasse dampfenden Kaffees und beobachte müssig den Himmel und die Nachbarschaft. Es ist still im Haus: Ferien in NRW, und die Drei, wie ich sie nenne, sind für ein paar Tage an die Nordsee gefahren, am Sonntag kommen sie zurück. Ich freue mich auf Sarah.

im Hintergrund, da lauern sie

Vier Tage liegen hinter mir, Sonntag Montag Dienstag Mittwoch, vier Tage, und vier Dinge, die ich getan habe: Auf der Couch gelegen, gekifft, gefressen und durch die Kanäle gezappt. Tanni hatte mir am Samstag etwas Dope mit nach Hause gegeben, ich selbst hatte zur Zeit keinen Händler hier in Hamm, Tanni würde mir demnächst jemanden vorstellen, “den Grafen”, wie sie ihn nannte.
Das Gras war wirklich gut; ich hatte lange nicht gekifft, Sebastian hatte etwas dagegen, “du hast dann immer so ein blödes Grinsen im Gesicht”, hatte er mir mal gesagt. Er hatte grundsätzlich etwas gegen Drogen, gegen Drogenkonsum, obwohl er selbst der Volksdroge Nr. 1, dem Alkohol, nicht abgeneigt ist: Seine Wochenend-Bierchen müssen schon sein. Also gut, aus Rücksicht auf Sebasian, um ihm zu gefallen, habe ich das Kiffen in seiner Gegenwart irgendwann eingestellt, auch sonst, wochentags allein in Ostwestfalen, habe ich nur noch wenig gekifft. Ab und zu mal ein Gläschen Rotwein, abends. Ich rauche eh nur dann und wann, zur Entspannung. Die letzten Tage habe ich genossen, mit kleinen Ausnahmemomenten. Faul auf der Couch gelegen, vormittags der erste Joint, Fernbedienung in der Hand, ich amüsierte mich mit Soaps und Talkshows und Promiklatsch, die ernsthaften Nachrichten hab' ich weggezappt, die böse Welt soll draussen bleiben, wenigstens eine kurze Zeit lang, Pause. Zwischendurch allerdings, wenn ich zwischen Tiefkühlpizza und Schokoriegeln ein wenig schlummerte, tauchte immer Sebastians Gesicht vor mir auf, riss mich aus dem Schlaf, und mein Hirn wollte sofort anfangen, loszudenken, nachzudenken über alles das, was werden wird und was ich tun soll, aber ich wollte nicht denken, keinesfalls denken, und irgendwie hab' ich's auch hinbekommen, die Gedanken in den Hintergrund zu schicken (da lauern sie, da lauern sie).

Dienstag, 8. Juli 2008

Wolke wird Katze und frisst Kartoffelsalat

Merkwürdige Leute, aber als die dann alle weg waren, war's noch ganz lustig: Der Grillabend am letzten Samstag bei Tanni.
Es waren nur Frauen da, “das sind lauter so Muttis”, hatte Tanni mir gesagt, Mütter der Schulfreundinnen von Tannis siebenjähriger Tochter Wolke. Die hatten ihre Kinder für den Abend untergebracht und waren allein da, hatten einen freien Abend und betranken sich mit Sekt und Erdbeerbowle. Tanni und ich tranken Bier. Wolke planschte in ihrem Swimmingpool, Tanni kümmerte sich um den Grill und ich sass bei den Frauen, die ich alle nicht kannte. Hörte deren Gesprächen schweigend zu, Zeugnisse und Beurteilungen und unfähige Lehrer und faule Kinder und unaufgeräumte Zimmer, ich wusste dazu nichts zu sagen, und ich war froh, als Wolke zu mir kam: “Paula, kommste mal mit? Ich will dir was zeigen!”, und ich folgte Wolke ins Haus. Sie präsentierte mir ihr Zimmer mit dem Wort: “Katzen!”, und tatsächlich, alles voller Katzen: An den Wänden Poster und selbstgemalte Katzenbilder, Katzenplüschtiere, Katzenbettwäsche, im Regal Bücher über Katzen, Katzengeschichten. “Und ich BIN auch eine Katze!”, rief sie dann, “Pass' mal auf!”, und holte aus ihrem Schrank ein Kostüm, ein Karnevalskostüm: Eine Katze. Wolke zog sich das Teil hastig an, malte sich mit einem Stift Schnurrbarthaare ins Gesicht, ging runter auf alle Viere, miaute und krabbelte durch die Wohnung in den Garten. Ich folgte dem Kätzchen. Draussen strich es um meine Beine, miaute. “Hunger?”, fragte ich, und die Katze nickte. Ich nahm eine Schale mit Erdnüssen vom Gartentisch und stellte sie dem Tier hin. Das hielt sein Schnäuzchen in die Schale und frass. Irgendwann war die Schale leer, das Kätzchen streckte sich auf dem Rasen, und ich kraulte es. Schnurrende Laute. Dann rief Tanni uns an den Tisch, die ersten Grillsachen waren fertig. Ich setzte mich, und die Katze sprang neben mir auf einen Stuhl und sagte: “Kartoffelsalat, miau!”. Ich gab ihr welchen auf den Teller. Und dann beugte die Katze den Kopf tief in den Teller und frass den Kartoffelsalat.
“Jetzt übertreibt sie das Spiel aber”, sagte eine der Frauen.
“Ach was, lass sie mal, ist doch noch ein Kind, und das Gesicht kann sie sich gleich abwaschen”, sagte ich. “Genau”, meinte Tanni, und die anderen Frauen schauten ein wenig pikiert auf ihre Teller, gemurmelte Kommentare, also nee und ist doch eklig, so am Tisch; und dann sah die Katze mich an, die Schnute schaute beleidigt aus dem Salatgeschmier: “Dann geh ich eben Mäuse jagen!”. Die Katze wieder auf allen Vieren ins Haus. Eine der Frauen sagte zu Tanni: “Du musst aufpassen, dass sie sich nicht in ihrer Katzenwelt verliert, das kann gefährlich werden.”. Tanni zuckte nur die Schultern.
Gegen Mitternacht waren die Frauen nach Hause verschwunden, und Thorsten, Tannis Mann, setzte sich zu uns. Wir drei kennen uns seit über zwanzig Jahren; sassen noch bis vier Uhr draussen und kramten lustige Anekdoten 'von früher' auf den Tisch... damals, wisst ihr noch?

Samstag, 5. Juli 2008

Hammer Summer

Der “Hammer Summer”, ein jährliches Open-Air in Hamm, und dieses Provinznest am östlichsten Zipfel des Ruhrgebiets ist mächtig stolz darauf, in diesem Jahr die achtziger-Jahre-Ikone Kim Wilde und als Top-Act The Boss Hoss zu präsentieren. Mainstream geht hier, in dieser Stadt, aber eben nur Mainstream, in Nebenflüssen plätschern nur wenige.
Gestern abend hat das Festival stattgefunden, und ich war da, allein. Mich interessieren weder Kim Wilde noch The Boss Hoss. In den letzten zwei Sommern bin ich mit Sebastian auf diesem Event gewesen, und gestern, in einer Menschenmasse von rund zwanzigtausend Leuten, hatte ich dauernd den Eindruck, ihn irgendwo kurz gesehen zu haben. Vielleicht habe ich ihn gesucht. Vielleicht wollte ich ihn nicht finden. Was wäre gewesen, wenn wir uns zufällig getroffen hätten? Vielleicht war er ja auch gar nicht da. Habe überhaupt kein bekanntes Gesicht entdeckt, in der Menschenmasse, drei Bierchen zuviel getrunken, und heute morgen hockte mir ein fetter Kater im Schädel, zwei Aspirin geworfen, und gut. Jetzt sitze ich auf dem Balkon, Hammer Summer, die Sonne scheint, und ich warte darauf, dass es später wird: Tanni hat mich zum Grillen eingeladen; Tanni, alte Freundin seit ich sechzehn bin, und ich freue mich auf sie, auf den Abend, und ich weiss, dass ich wieder ein paar Bierchen zuviel trinken werde.

auflöserisch

Seltsam, die Wochenenden ohne Sebastian zu verbringen. In den letzten drei Jahren hiessen diese Tage Sebastian. Eine Wochenendbeziehung, von Anfang an. Kennengelernt hatten wir uns in Hamm, meiner Heimatstadt, wo Sebastian lebt. Ich war vor zehn Jahren nach Ostwestfalen gezogen, eines Jobs wegen, tägliche Pendelei wäre mir zuviel Zeitaufwand gewesen. Seit Sebastian bin ich fast jeden Freitag nachmittag nach Hamm gefahren, zu ihm, und Montag morgens zurück.
Jetzt bin ich seit drei Monaten in einer Auffanggesellschaft, verzuckerte Arbeitslosigkeit, und ohne Job dort hatte ich keinen Grund mehr, in Ostwestfalen wohnen zu bleiben; wirklich gefallen hat es mir dort nie, und ich bin wieder nach Hamm übergesiedelt. “Warum ziehst Du denn nicht bei mir ein? Platz ist genug. Das wünsch' ich mir so”, hatte Sebastian gesagt; gross genug ist seine Wohnung, quadratmetermässig, ja, aber ich hätte dort keinen Raum nur für mich allein, und das brauche ich, ich brauche Raum für mich; also bin ich in eine eigene Wohnung gezogen, wohne jetzt im Haus meiner Schwester, Dachgeschoss. Ich kenne nur den Wochenend-Sebastian. Ein mulmiges Gefühl befällt mich beim Gedanken an den Wochen-Sebastian. Warum? Und jetzt drückt er mich an die Wand, will nicht nur mit mir zusammen leben, will auch Kinder, Familie, dass ich nicht mehr arbeiten gehe, er verdient ja genug. Und wenn ich ihn liebe, sagt er, dann würde ich das auch so wollen. Wenn ich ihn liebe. Liebe ich ihn? Er fehlt mir, jetzt, am Wochenende. Beziehungspause, hat er gesagt, eine Mischung aus beleidigt und wütend und enttäuscht; will mich ein paar Wochen lang nicht sehen, ich soll mir alles klarmachen, soll mich entscheiden. Von mir aus hätte alles so weiterlaufen können wie bisher... hätte es das? Mein bisheriges Leben löst sich auf.
Eben, als ich durch den Garten ging, schwankte mir der Rasen unter den Füssen.

Freitag, 4. Juli 2008

der schlafende Schwanz

Sechs Kronen für die oberen Frontzähne, die Provisorien raus und der endgültige Zahnersatz rein, der Zahnarzt hielt mir einen Spiegel vor's Gesicht, heute morgen, “jetzt können Sie wieder unbeschwert lachen, und Sie haben so ein schönes Lachen”, sagte er. Hab' mich gefreut über das freundliche Kompliment, aber lachen, ha, nach lachen steht mir nicht der Sinn, momentan. In drei Monaten werde ich vierzig, mit vierzig schon dritte Zähne, hallelujah, erster Verfall, und mit den Fältchen in meinem Gesicht bin ich noch lange nicht befreundet.

Freitag nachmittag, ich sitze auf dem Balkon, Kaffee und ein paar Zigaretten; starre in den Himmel, Wolken zieh'n, Wolkengebirge, und eine Formation erinnert mich an etwas, an einen kauernden Penis, ja, an einen schlafenden Schwanz. Und Sebastian kommt mir in den Sinn, Sebastian, dessen Schwanz nicht schlafen will, nein, schwängern will er, der Schwanz, ein Kind will er mir machen oder zwei. “Du hast nicht mehr viel Zeit, darüber nachzudenken”, hatte er gesagt, und falsch liegt er damit nicht, aber ich weiss nicht. Wirklich, ich weiss nicht. Ein paar Wochen Bedenkzeit hat er mir jetzt gegeben, und bis zu meiner Entscheidung will er mich nicht sehen. “Wenn Du mich liebst, dann musst Du doch auch Kinder mit mir wollen, eine Familie”, hatte er gesagt, und mir die Knarre gegen den Brustkorb gedrückt.

Die Wolken zieh'n weiter, und der schlafende Schwanz zerfasert im Himmel.

Herzkatheter

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